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Einzigartigkeit und Verantwortung

Wir sind alle anders

Alle Eigenschaften sind unter Menschen unterschiedlich verteilt. Eine Mehrheit ist irgendwo in der Mitte und an beiden Rändern der Verteilung gibt es Minderheiten. Das können über- und untergewichtige Menschen sein, sehr grosse oder sehr klein gewachsene, sehr robuste oder sehr krankheitsanfällige oder eben auch sehr hoch oder sehr wenig sensitive Menschen. Leben an einem der Ränder ist nie leicht (je weiter aussen, desto mehr). Automatisch gehören Hochsensitive da einer Minderheit an für die die Norm nicht gemacht ist. Fast alle Menschen gehören der einen oder anderen Minderheit an und es ist ein Teil unserer Lebensaufgabe damit umgehen zu lernen. Denn ändern können wir manchmal nichts an der Ausgangslage – aber unseren Umgang damit können wir beeinflussen.

Keine Rücksicht erwarten

Als hochsensitive Menschen sind wir es gewohnt viel zu reflektieren und das ist eine grosse Stärke. Auch gerade im Umgang mit anderen Menschen, der manchmal nicht so leicht ist, weil einige von uns sich manchmal vielleicht minderwertig oder schlecht fühlen, weil sie immer absagen oder nicht an lärmige Anlässe mitgehen, sich ungerecht behandelt fühlen oder weil andere scheinbar keine Rücksicht nehmen. In solchen Momenten gilt es die Einzigartigkeit aller Menschen zu berücksichtigen. Nicht nur wir sind manchmal gefühlt anders, auch alle anderen Menschen sind anders. Vielleicht ist dieser Mensch sehr wenig sensitiv und kann schlicht keine Rücksicht nehmen, und leidet selbst darunter. Schliesslich sollten wir uns immer bewusst sein, dass Empathie und Rücksichtnahme speziell ausgeprägte Eigenschaften von Hochsensitiven sind – also verfügen andere Menschen nicht unbedingt gleich viel davon. Wir dürfen also schlicht nicht das gleiche von ihnen erwarten und sie mit uns vergleichen. Jedes Mal, wenn wir merken, dass wir uns in einer zwischenmenschlichen Situation anders verhalten hätten, können wir dies auch als eine Bestätigung unserer Stärke sehen.

Verantwortung übernehmen für unser Nervensystem

Alle Menschen haben unterschiedliche Eigenschaften, aber eben auch andere Toleranzen. Für hochsensitive Menschen spielt hier die individuelle Robustheit des Nervensystems eine wichtige Rolle. Denn da wir Reize intensiver wahrnehmen und genauer verarbeiten, braucht unser Nervensystem mehr Pausen bzw. ist es schneller überlastet als bei der Bevölkerungsmehrheit. Dennoch sind wir auch hier alle einzigartig. Bei den einen ist der Sehsinn schnell überlastet, andere fühlen sich eher von Geräuschen beeinträchtigt und für die nächsten ist Weite und das Gefühl von Raum das Wichtigste. Es geht also darum, hier unsere ganz individuellen Bedürfnisse genau kennenzulernen. Je genauer wir wissen, was uns zu viel wird und wie wir auftanken können, desto besser können wir dafür sorgen, dass keine Überreizung geschieht. Wir können lernen für uns einzustehen und die Verantwortung für unser Nervensystem zu übernehmen und dafür zu sorgen, dass wir genügend Pausen machen und unsere Sinne so regenerieren, wie wir es brauchen.

Positive Kommunikation

Wenn wir wissen, was konkret uns belastet oder überreizt, fällt oft auch die Kommunikation leichter. Wir können anderen dann sagen, dass wir z.B. nicht mit zu der Party kommen, weil uns das zu viele Leute auf zu kleinem Raum sind, aber wir gerne im Sommer mit ans Open Air kommen, da dort viel Platz und Raum ist und wir dort zusammen die Party geniessen können. Mittels klarer und ressourcenorientierter Kommunikation können wir vieles zu einer positiven Grundhaltung gegenüber Hochsensitivität beitragen. Betonen wir die Stärken und nicht die vermeintlichen Schwächen dieser Eigenschaft. ‚Ich bin hoch kreativ, aber kann diese Bestleistung nur in einer ruhigen Arbeitsatmosphäre erbringen.‘ oder ‚Ich unterstütze das Team gerne bei gruppendynamischen Schwierigkeiten. Das gelingt mir am besten, wenn ich immer wieder etwas Abstand habe und deswegen nehme ich nur selten an den gemeinsamen Mittagessen teil.‘ Wir sollten uns nicht scheuen die Bedingungen zu nennen, die wir benötigen, um gute Leistung zu erbringen – und da sind zwischenmenschliche Dienste explizit mitgemeint. Vielleicht entsprechen sie nicht dem, was sich die Leute gewohnt sind, aber wir alle wissen doch, dass Menschen unterschiedlich sind. Und wenn alle sich trauen dazu zu stehen und ihre Einzigartigkeit als Stärke zu sehen und diese zu leben, dann braucht sich niemand mehr aufgrund eines vermeintlich speziellen Bedürfnisses zu verstecken.

Wechseln – anstatt zu leiden

Natürlich ist es nicht in jedem Umfeld leicht, sich selbst einzubringen und zu zeigen. Aber auch da gilt es Selbstverantwortung zu übernehmen und sich zu fragen, ob das Umfeld noch passt. Denn gerade hochsensitive Menschen leiden massiv, wenn sie sich und ihre Werte im Job nicht ausleben können und dieser immer sinnleerer erscheint. Je nach Umständen kann es also sinnvoll sein, einen neuen, passenderen Job zu suchen. Und – das erlebe ich in meinen Coachings häufig – das fällt hochsensitiven Menschen oft leichter, da sie schnell spüren, wie es in einer Firma zugeht. Das klappt natürlich nur, wenn nicht andere Muster sie davon abhalten, sich die Zeit zum Spüren zu geben oder entspannt an die Jobsuche heranzugehen.

Umsetzungsfrage

Ich möchte Dich mit diesem Artikel dazu anregen, Dich einfach einmal zu fragen, was Du für ein Umfeld benötigst, um Dich wohlzufühlen. Welche Sinne brauchen viel Raum oder Ruhe, wie regenerierst Du sie und wie kannst Du dafür sorgen in Deinem Alltagsjob? Ist es Dir möglich, die Verantwortung dafür zu übernehmen, Dein Nervensystem möglichst nicht mehr zu überreizen?
Und vielleicht kannst Du anschliessend auch beginnen, Deine Bedürfnisse klarer zu kommunizieren. Falls Du Dich häufig missverstanden fühlst, kann dieser erste Schritt oft zu mehr Verständnis führen.
Ich wünsche Dir viel Erfolg damit!

Falls Du Dir Unterstützung wünschst, um Deine Sinne genauer zu differenzieren und zu erkennen, welche besondere Aufmerksamkeit benötigen und wie Du sie regenerieren kannst, um zu lernen, wie Du Deine Hochsensitivität positiv sehen und sie ebenso kommunizieren kannst oder um zu verstehen, wie Du Deine Hochsensibilität im Job und bei der Jobsuche als grossartige Ressource nutzen kannst, dann melde Dich bei mir.
Dieses Frühjahr werde ich für das HSP-Netzwerk auch einen Workshop zum Thema ‚Umgang mit Hochsensitivität im Beruf‘ anbieten. Mehr findest Du bald hier oder auf meiner Homepage.

Über den/die Autor*in

Ursina Wälchli

Laufbahn-Beraterin (ZHAW), Beraterin für Meditation und Achtsamkeit (ReConSat) und Ayurveda Lifestyle Coach. Fokus auf ein ganzheitliches, erfülltes Leben im Kontakt mit sich selbst und seinen Gefühlen. Praxis BeiSichSein in Zürich.

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