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3. Internationaler Kongress für Hochsensitivitätsforschung 2025

3. Internationaler Kongress für Sensitivitätsforschung 2025

Ende Mai 2025 versammelte sich eine Gemeinschaft aus Wissenschaftlern, Fachleuten und interessierten Mitgliedern der Öffentlichkeit, um die neuesten Forschungsergebnisse zum Thema Sensibilität zu diskutieren. Dieser Beitrag fasst die Konferenz zusammen und hebt einige wichtige Beiträge von verschiedenen Sensibilitätsforschern aus aller Welt hervor.

Keynote 1: Prof. Judith Homberg, Radboud, NE.
Durch Forschung zu einem besseren Verständnis des hochsensiblen Gehirns.

Forscher haben bisher viel über die hochsensible Verarbeitung im Gehirn gelernt, verstehen aber noch nicht alles. Sowohl Umweltfaktoren als auch genetische Veranlagung tragen zur hochsensiblen Verarbeitung (sensory processing sensitivity – SPS) bei. Diese führt zu einer erhöhten emotionalen Aktivität, die mit einer besseren Verarbeitungstiefe, einem höheren Bewusstsein für Feinheiten in der Umgebung und einer Überstimulation verbunden ist. Die Frage ist nur, wie beide Faktoren dazu beitragen und zu HSP führen. Dieser Vortrag fasst Studien zusammen, die sich mit diesen Fragen befassen, und gibt einen kurzen Überblick über die neuesten Erkenntnisse.

Hintergrundwissen

Das Gehirn besteht aus verschiedenen Regionen (Gehirnlappen), die unterschiedliche Aufgaben und Aktivitäten unseres Körpers steuern. Vor allem sind die Regionen des Gehirns miteinander verbunden und bilden wichtige Netzwerke im Gehirn, die verschiedene kognitive Funktionen wie Denken, Emotionskontrolle, Entscheidungsfindung usw. ermöglichen.

Die drei großen Netzwerke im Gehirn:

•    DMN – Default Mode Network
     
(Ruhezustand, innerer Fluss, Gedanken, Tagträume, Erinnerung).

•    ASN   – Anterior Salience Network
     
(hilft dabei, Aufmerksamkeit und Verhalten zu steuern, indem es identifiziert, was
        innerhalb und außerhalb von uns am relevantesten ist).

•    CEN   – Central Executive Network
     
(Arbeitsgedächtnis, Problemlösung, Entscheidungsfindung).

Das DMN und das CEN sind Gegenstücke zueinander, was bedeutet, dass nur eines dieser Netzwerke funktionieren kann, während das andere ausgeschaltet ist.


Frühe Studien zur Hochsensitivität

Die frühesten Studien, die sich mit Fragen der hochsensorischen Verarbeitung befassten, verwendeten die funktionale Magnetresonanztomographie (fMRT) als Technik, um Aktivität des Gehirns darzustellen. Wie funktioniert fMRT letztendlich und wie können wir Gehirnfunktion tatsächlich messen? Das Gehirn funktioniert über Signale zwischen Neuronen, die im Gehirn sehr schwer zu messen sind. Mit einem EEG lassen sich nur Signale auf der Kopfoberseite erfassen, nicht jedoch im Inneren des Gehirns. Daher können Gehirnsignale nur indirekt mittels fMRT gemessen werden. Die fMRT erfasst Veränderungen des Blutflusses im Gehirn, der mit neuronaler Aktivität in Verbindung steht. Wenn ein bestimmter Bereich des Gehirns aktiv wird, benötigt er mehr Sauerstoff, was zu einer Erhöhung des Blutflusses in dieser Region führt. Die fMRT misst also die Veränderungen der Blutsauerstoffsättigung und des Blutflusses was es Forschern und Klinikern ermöglicht, die Gehirnaktivität zu identifizieren. Forscher können so kartieren, welche Bereiche an verschiedenen Aufgaben oder kognitiven Prozessen beteiligt sind.

Frühe Studien zur hochsensorischen Verarbeitung mittels fMRT:

Die frühesten Studien zu hochsensorischen Messungen in Kombination mit fMRT wurden von Acevedo et al. (2014) durchgeführt. In dieser Studie wurden Teilnehmern verschiedene glückliche Gesichter von bekannten oder unbekannten Personen gezeigt. In beiden Fällen wurden die folgenden Hirnareale aktiviert:

i)    Die Insula – beteiligt an der Integration externer sensorischer Informationen und interner
       Emotionen und Gefühle.

ii)   Der VTA (ventrale tegmentale Bereich) – beteiligt an der Belohnungssignalisierung.

iii)  S1 (somatosensorischer Cortex) – beteiligt an der Körperwahrnehmung und Berührung.

iv)  DLPFC (dorsolateraler PC) – beteiligt an höheren kognitiven Funktionen wie
       Aufmerksamkeit und Arbeitsgedächtnis.

Interessanterweise zeigte die Studie durch den Vergleich des Aktivierungszustands von Hirnregionen zwischen HSP- und Nicht-HSP-Personen, dass bei HSP-Personen alle aktivierten Hirnregionen beim Betrachten bekannter oder unbekannter Gesichter aktiver waren.

In einer nächsten Studie von Acevedo et al, 2018, wollte das Forscherteam die Auswirkungen der Kindeserziehung auf die Gehirnentwicklung untersuchen. Dazu wurde den Teilnehmern Fragen zu ihrer Kindheit gestellt, um alle Teilnehmer einer qualitativ geringen oder qualitativ guten Erziehung zuzuordnen. Anschliessend wurde den Teilnehmer Bilder gezeigt, die ein positives oder glückliches Gefühl hervorrufen (schönes Auto, Freund auf einer Party, Umarmung, usw.), und die Gehirnaktivität der Teilnehmer wurde analysiert. Die Ergebnisse der Studie zeigten, dass bei geringer Erziehungsqualität kein großer Unterschied zwischen HSP- und Nicht-HSP-Personen bezüglich ihrer Gehirnentwicklung oder der Aktivierung bestimmter Gehirnbereiche festgestellt werden konnte. Wenn hingegen die Erziehung qualitativ positiv war, zeigten HSP-Personen bei positiven Reizen eine deutlich höhere Gehirnaktivität. Das gleiche Ergebnis zeigte sich, wenn den Teilnehmern schreckliche Bilder (Unfälle, Naturkatastrophen usw.) gezeigt wurden. Auch hier zeigten HSP-Personen, die eine qualitativ gute Erziehung hatten, viel stärkere Gehirnaktivierung als Nicht-HSP-Personen. Zusammenfassen kann man sagen, dass die Qualität der Erziehung die Gehirnentwicklung von HSP und die Art und Weise, wie das Gehirn von HSP auf positive und negative Reize reagiert, beeinflusst.


Die dritte hier zusammengefasste Studie zur hochsensorischen Verarbeitung stammt von Schaefer et al., 2022. Die Wissenschaftler konzentrierten sich auf die sensorische Aktivierung der Teilnehmer durch Berührungen der Hand, während fMRT-Messungen durchgeführt wurden. Eine Aktivierung des somatischen Kortex und der Insula (Integration von Emotionen und Sinneswahrnehmungen) wurde analysiert. Ohne Berührung gab es keinen Unterschied in der Aktivierung des sensorischen somatischen Kortex zwischen HSP- und Nicht-HSP-Personen. Allerdings zeigten HSP-Personen eine viel stärkere Aktivierung des Insula-Bereichs bei Berührungen ihrer Hand. Dies wies auf eine stark unterschiedliche Gehirnaktivierung bei hoch sensitiven Personen hin.

Eine neuere Studie von Meinersen-Schmidt et al. 2023 verwendete EEG, um Gehirnsignale (Wellenfrequenzen) an der Kopfoberfläche zu messen, während die Studienteilnehmer die Augen offen hatten. Bei offenen Augen ist bekannt, dass es aufgrund der erhöhten visuellen Reize zu einer signifikanten Verringerung der Alphawellen-Aktivität kommt, einem Phänomen, das als Alpha-Desynchronisation bekannt ist. Gleichzeitig ist aufgrund der höheren visuellen Aktivierung mit Veränderungen der Schwingungen in den Frequenzen der Beta- und Gammawellen zu rechnen (s.u. – je mehr Rot, desto aktiver sind die Gehirnbereiche). Zu den stark aktivierten Bereichen gehörten der Temporallappen und der Parietallappen, die an Gedächtnis und Sinneswahrnehmung beteiligt sind. Interessanterweise war beim Vergleich von HSP- und Nicht-HSP-Personen das Gehirn bei HSP-Personen in beiden Bereichen auch hier aktiver, also stärkere Wellenfrequenzen zu sehen.



Aktuelle Forschungsergebnisse

The Human Brain Study https://www.healthybrainstudy.nl/en/home

Diese interessante Studie wurde von Prof. Corinna Greven geleitet und ist eine einzigartige Langzeitstudie, die von der Radboud-Universität, dem Radboudumc und dem Max-Planck-Institut für Psycholinguistik in Zusammenarbeit mit anderen Organisationen und Freiwilligen durchgeführt wurde. Studienprotokoll: (https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0260952)

Ziel der Studie war es herauszufinden, wie das Gehirn funktioniert und wie Gehirnfunktion das tägliche Leben der Menschen beeinflusst. Die Daten aus dieser Studie stehen als öffentlich zugängliche Ressource zur Verfügung, um das menschliche Gehirn und seine dynamische und individuelle Funktionsweise in seinem biosozialen Kontext besser verstehen zu können.

Die Teilnehmer wurden einer eingehenden Phänotypisierung unterzogen und mussten den von Veronique de Gucht entwickelten SPSQ-SF Fragebogen ausfüllen (De Gucht V. et al., JPA 2022). Die Rekrutierung für die Studie begann im Jahr 2010. Es wurden 905 Teilnehmer im Alter zwischen 39 und 40 Jahren aufgenommen, von denen 724 die gesamte Studie abgeschlossen haben (The Healthy Brain Study Consortrium, Plos One, 2021).

Teilnehmer wurden über den SPSQ-SF in verschiedene Dimensionen der Hochsensitivität unterteilt (De Gucht V. et al., JPA 2022).

Negative Dimension:
– umfasst emotionale und körperliche Aktivität
– sensorisches Unbehagen
– Empfindlichkeit gegenüber subtilen sensorischen Reizen Positive Dimension:
– umfasst affektive Sensibilität
– sensorisches Wohlbefinden oder Vergnügen

Positive Dimension:
– umfasst affektive Sensibilität
– sensorisches Wohlbefinden oder Vergnügen

Ergebnisse:

Das Human Brain Study Projekt hat mittlerweile zu vielen wissenschaftlichen Erkenntnissen und Veröffentlichungen geführt. So gab es Analysen, über das Verhalten von HSP- Teilnehmern in Bezug auf die Informationsverarbeitung im Gehirn, nachdem Teilnehmern verschiedene Videos über den Klimawandel, das Gesundheitswesen und Immigration gezeigt wurden. Jedes Video wurde 3-mal gezeigt. Jedes Mal, wenn die Teilnehmer den Film sahen, wurde er mit einer anderen auditiven Rahmenbedingung abgespielt: Schuld, Neutralität oder Bedrohung. Bei der Analyse der fMRT-Daten konzentrierten sich die Wissenschaftler auf die Aktivierung der drei verschiedenen Gehirn Netzwerke DMN, ASN und CEN, da diese für die Analyse der Funktionsweise des Gehirns von entscheidender Bedeutung sind. Wichtig ist auch zu erwähnen, dass die Ergebnisse über eine intersubjektive Ähnlichkeitsanalyse ausgewertet wurden. Diese postuliert, dass je ähnlicher die Teilnehmenden den SPSQ-Fragebogen ausgefüllt haben, desto ähnlicher funktionieren ihre Gehirne in den Experimenten.

Die Ergebnisse zeigten, dass Personen, die zur Gruppe mit negativen Dimensionen gehören, eine höhere Gehirnaktivität bei den Bedrohungsvideos zeigten. Die Gehirnareale höherer Aktivität waren das CEN und ASN. Dies deutet darauf hin, dass das Gehirn von hochsensiblen Personen mit negativen Dimensionen insbesondere Bedrohungen wahrnimmt.

Eine Korrelationsanalyse für alle Gehirnareale von Interesse zeigte, dass es in einem ganz bestimmten Bereich des präfrontalen Kortex einen entscheidenden Signalunterschied gibt, der sich zwischen tief sensitiven Personen und hochsensitiven Personen signifikant unterscheidet. Was genau das unterschiedliche Signal in sich verbirgt, wird gerade weiter untersucht.

Hochsensitivität in Tieren

Tierversuchsstudien, in denen nach hochgradig sensorischer Verarbeitung in Gehirnen von Tieren gesucht wird, wurden erstmals von Aron et al., 2012 und Homberg et al., 2016 veröffentlicht. Zurzeit kann man nicht mit Sicherheit sagen, dass es HSP und Nicht-HSP Tiere wirklich gibt. Dennoch kann man experimentell beweisen, dass Tiere unterschiedlich auf ihre Umgebung reagieren. Zu diesem Zweck haben Forscher auf damaligen Beobachtungen aufbauend ein Rattenmodell für Hochsensitivität entwickelt (Hesen et al., in Vorbereitung).

In verschiedenen Versuchsanordnungen werden die folgenden HSP-Merkmale beim Menschen nachgeahmt:

– Erhöhte emotionale Reaktivität -> erhöhte Angst bei Ratten
– Tiefere Verarbeitung sensorischer Informationen -> längeres Erstarren bei Bedrohung
– Größeres Bewusstsein für Umweltreize -> erhöhte Präpuls-Inhibition
– Erhöhte Anfälligkeit für Überstimulation -> Kokain Selbstadministration

Für die Exprimente wurden 110 Wistar-Ratten (Outbred) verwendet:

–  Elevated Plus Maze (emotionale Reaktivität – Angst)
– Conditioned Freezing (tiefe Informationsverarbeitung)
– 0120 Startle Pre-Pulse Inhibition (Wahrnehmung von Umweltnuancen)


Die Ergebnisse der drei Experimente zeigen, dass die Tiere tatsächlich in Individuen mit niedrigem, mittlerem und hohem HSP-Wert unterteilt werden konnten. Bei allen gemessenen Parametern unterschieden sich die Tiere in diesen drei Gruppen voneinander und können so in niedrige/mittlere und hohe SPS-Werte Gruppen eingestuft werden. Tiere in der hohen SPS-Werte Gruppe werden im Folgenden als SPS/HSP-ähnliche Tiere benannt.


Eine Folgestudie analysierte anhand eines Experiments zur Selbstverabreichung von Kokain, wie Ratten mit niedrigem und hohem SPS-Wert auf ihre Umgebung reagieren würden. Angesichts der Tatsache, dass die Bewältigung eines schwierigen Lebensumfeldes, von extremen Lebensherausforderungen oder von Überstimmulation durch die Umgebung oft in engem Zusammenhang mit Drogenkonsum stehen, lautete die Hypothese hinter dieser Studie, dass die Selbstverabreichung von Kokain bei einzelnen Ratten umso höher ausfallen würde, je mehr die Tiere durch ihre Umgebung gestresst werden.

Einzelkäfighaltung, von der bekannt ist, dass sie bei Tieren Stress auslöst, führte bei Ratten mit hohem SPS-Wert zu einer deutlich häufigeren Selbstverabreichung von Kokain als bei Ratten mit niedrigem SPS-Wert.

Darüber hinaus sieht das Gehirn von Ratten mit niedrigem und hohem SPS-Wert, nach der Selbstverabreichung von Kokain, dramatisch unterschiedlich aus. Das Gehirn dieser Tiere zeigte bei Ratten mit hohem SPS-Wert eine höhere Glutamat- und niedrigere GABA-Signalaktivierung. Glutamat ist der wichtigste erregende Neurotransmitter, der chemische Botschaften von einer Nervenzelle zur nächsten ermöglicht. GABA ist der wichtigste hemmende Neurotransmitter im Gehirn und reduziert die neuronale Erregbarkeit. Ein Ungleichgewicht mit zu hohem Glutamatspiegel und zu niedrigen GABA-Spiegeln kann zu Symptomen wie gesteigerter Schmerzempfindlichkeit, Angstzuständen, Schlaflosigkeit und Überreizungen führen. Zurück zum Kokainexperiment scheint es, dass der Kokainkonsum die beobachteten Defizite bei SPS-ähnlichen Ratten ausgleicht. Bei Ratten mit hohem SPS-Wert gab es weniger GABA-Neuronen als bei Ratten mit niedrigem SPS-Wert, was darauf hindeutet, dass diese Ratten weniger Hemmungen haben und deshalb stärker erregbar sind.

Zusammenfassend bedeutet die Ergebnisse dieser Studie, dass bei Tieren mit hohem SPS-Wert die Grundhemmung der Neuronen geringer ist und bei starken Signalen keine weitere Herunterregulierung möglich ist. Dies kann dann folglich zu einer Überstimulation der Individuen führen.


Invited Talk 1: Dr. Annalisa Setti
Sensorische Verarbeitungsempfindlichkeit, positive Emotionen und der Zusammenhang zwischen Klima und Gesundheit.

Hintergrund:

Um die Beziehung zwischen dem Menschen und der Natur oder unsere Sichtweise auf die Natur zu verstehen, wurden Naturverbundenheitsstudien durchgeführt und die Auswirkungen des Klimawandels auf die Gesundheit analysiert. Die Studie beleuchtete hierbei insbesondere Personen, die eine stärkere Verbundenheit mit der Natur zeigen.

Naturverbundenheit und SPS

Frühere Naturverbundenheitsstudien mit hochsensitiven Menschen zeigten, dass ein höherer SPS-Wert zu einer stärkeren Verbundenheit mit der Natur und auch zu einer größeren Affinität zu Tieren führt und dass Ehrfurcht ein Schlüsselfaktor für die Verbundenheit mit der Natur ist (Black et al., Palgrave communications, 2020; Setti A et al., Heliyon 2022; Holzer et al., Sustainability: Science, Practice and Policy 2024; Dunne H et al., People and Nature 2024).

Naturverbundenheit, SPS und Flourishing

Um den Zusammenhang zwischen Naturverbundenheit und Gesundheit zu untersuchen, wurde das Wohlbefinden hochsensibler Menschen analysiert (Caroll S et al., Front. Psychol. Sec. Personality and Social Psychol., 2025). Die Hypothese lautete, dass eine stärkere Naturverbundenheit zu einem stärkeren Wohlbefinden führt und ein höheres Maß an Umweltchaos zu einem geringeren Wohlbefinden, insbesondere bei Menschen mit hohem SPS, führt. Die Frage war auch, ob das Alter diese Effekte positiv oder negativ beeinflussen kann. Zu diesem Zweck wurde eine Studie durchgeführt, die die Rolle der Naturverbundenheit einerseits und eines chaotischen häuslichen Umfelds andererseits auf das Wohlbefinden von HSP analysiert. Es wurden 856 Umfragen zum Thema Natur und chaotisches häusliches Umfeld mit Teilnehmern im Alter von 40 bis 60+ durchgeführt, die in die Gruppen 40/49, 50/59 und 60+ eingeteilt wurden. Darüber hinaus wurden 12 Interviews mit speziell ausgewählten Teilnehmern geführt.

Folgende Messungen wurden durchgeführt:

– HSP-12-Skala (Pluess et al., 2020)
Well-Being-Flourishing-Skala (FC) (Diener et al., 2010)
Skala für Chaos im häuslichen Umfeld (HECS) (Matheny et al., 1995)
Naturverbundenheitsindex (NCI) (Richardson et al., 2019)

Interview Themen:
– SPS, Home environment, Nature connection.

Die Ergebnisse der Studie bestätigten die Hypothese, dass Menschen umso mehr aufblühen, je stärker sie mit der Natur verbunden sind. Eine Kombination aus hohem SPS-Wert und hohem NCI-Wert fördert ein stärkeres Aufblühen bei HSP, was darauf hindeutet, dass die Natur einen starken positiven Einfluss auf die Entwicklung sensiblerer Menschen hat. Ein höherer SPS-Wert und ein höheres Maß an Chaos in der Umgebung stehen in einem negativen Zusammenhang mit Aufblühen oder Wohlbefinden. Interessanterweise zeigten ältere Teilnehmer ein stärkeres Wohlbefinden trotz vorhandenem Umweltchaos, möglicherweise durch gesammelte Lebenserfahrung und selbst erarbeitete Bewältigungs- Strategien.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Sensibilität eine individuelle Herausforderung darstellen kann, die zu starken emotionalen Reaktionen, vermehrtem Grübeln und dem Gefühl, anders zu sein, führen kann. Eine stressige oder chaotische Umgebung verstärkt diese Auswirkungen zusätzlich. Mit zunehmender Reife zeigen Menschen eine verbesserte Bewältigungsfähigkeit (Achtsamkeitsübungen, tieferes Selbstverständnis, was zu einer höheren Selbstakzeptanz führt, Nutzung unterstützender Hilfsmittel). In diesem Kontext ist Naturverbundenheit eine wichtige Voraussetzung für das körperliche und geistige Wohlbefinden, um neue Energie zu tanken, sich zu beruhigen und neue Kraft zu schöpfen.

SPS, EEG und Nature versus städtisches Umfeld

Weiterhin stellt sich nun eine wichtige Frage: Arbeitet das hochsensitive Gehirn in der Natur anders als in einem urbanen Kontext? Um dieser Frage nachzugehen, wurde die „Brain in the City” Studie durchgeführt. Dies ist eine mobile EEG-Pilotstudie mit hochsensitiven Personen in einer realen städtischen Naturumgebung (Hurly J. et al., unveröffentlichte Daten).

Teil der Studie war ein Attention Network Test (ANT), der eine Analyse individueller Unterschiede in Bezug auf Alarmbereitschaft, Orientierung und exekutive Kontrolle von Konflikten bietet. Die Studienteilnehmer wurden einem SPS-Profil unterzogen und mussten den ANT-Test vor und nach Spaziergängen in der Stadt absolvieren, zunächst durch einen Park und zwei Wochen später durch die Stadt. Das EEG wurde während der individuellen Spaziergänge gemessen.

Die Ergebnisse zeigen, dass SPS beim Spazierengehen in der Natur im Vergleich zum Ruhezustand mit offenen Augen geringere Amplituden der Alpha- und niedrigen Beta-Gehirnwellen vorhersagt. Da ein erhöhtes Alpha-Band in natürlicher Umgebung mit Entspannung und einer Modulation der Wahrnehmungsempfindlichkeit in Verbindung gebracht wird, scheinen SPS-Personen weniger entspannt zu sein und eine intensive Wahrnehmungsempfindlichkeit zu zeigen. Dies spiegelt eine höhere Fähigkeit wider, schwache, wenig intensive Reize aus der Umgebung wahrzunehmen, unabhängig von der allgemeinen Seh- oder Hörfähigkeit.

SPS und Klimaveränderungen

Welche genaue Auswirkung hat nun die Natur bzw. Naturveränderungen auf SPS? Jüngste Studien haben gezeigt, dass die SPS umweltfreundliches Verhalten über die Verbundenheit mit der Natur und die Berücksichtigung zukünftiger Konsequenzen für die Natur fördert (Dunne H et al., 2024). Darüber hinaus wurde die SPS mit einer stärkeren Umweltidentität, höherer Öko-Angst und einer stärkeren umweltfreundlichen Einstellung und Verhaltensweise in Verbindung gebracht (Duradoni M et al., 2025). Um SPS im Zusammenhang mit klimawandelbezogenen Ereignissen zu untersuchen, wurden Personen mit hoher SPS virtuellen Klimawandelereignissen ausgesetzt (Setti A et al., 2024). 103 Teilnehmer im Alter von 18 bis 68 Jahren wurden randomisiert entweder mit Wettervorhersagen oder mit Klimaveränderungen konfrontiert. Die Messungen wurden vor und nach der Darstellung klimawandelbezogener Ereignisse durchgeführt.

Durchgeführte Messungen:

– HSP-12-Skala (Pluess et al., 2020)
– Skala zur Messung der Angst vor dem Klimawandel (CCAS) (Clayton & Karazsia 2020)
– Kurzform des State Rumination Inventory (BSRI) (Marchetti et al., 2018)
– Naturverbindungsindex (NCI) (Richardson et al., 2019)
– Positive – Negative Affect Schedule (PANAS) (Crawford & Henry, 2004)

Die Hypothese dieser Studie beinhaltete, dass ein höherer SPS-Wert mit einer höheren Öko-Angst und Naturverbundenheit einhergeht. Klimawandelbedingte Ereignisse haben deswegen einen eher negativen Effekt auf SPS-Teilnehmer, insbesondere wenn die Klimaveränderungen erheblich sind.

Ergebnisse:

Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass SPS die negativen Auswirkungen der Exposition gegenüber Klimaveränderungen begünstigt, wobei höhere SPS-Werte mit stärkeren negativen Auswirkungen (Angstzustände, Grübeln) einhergehen. Studienteilnehmer mit hohem SPS-Wert zeigten erhöhte CCA und NCI-Werte, die als aktive Treibkraft für die negativen Auswirkungen gegenüber Klimaveränderungen angesehen wurden (Setti A et al., 2025). In einer ähnlichen Studie zeigten die Ergebnisse, dass es einen starken Zusammenhang zwischen hohen SPS-Werten und negativen Gefühlslagen im Zusammenhang mit dem Klimawandel gibt, weniger jedoch bei Wettervorhersagen. Darüber hinaus konnten Auswirkungen weder bei Grübeleien noch bei positiven Gefühlslagen beobachtet werden (Cadogan E et., 2023).



Planetarische Gesundheit

Was können wir also letztendlich mit der Tatsache anfangen, dass SPS stark mit einer höheren Verbundenheit mit der Natur und einer zunehmenden Sorge um die Gesundheit unseres Planeten korreliert?

Das Konzept der planetarischen Gesundheit bedeutet, dass die Gesundheit unseres Planeten eng mit der Gesundheit der Bevölkerung verbunden ist. Hierbei wird Gesundheit von multidimensionalen Faktoren beeinflusst. Hochsensitive Menschen sind nun in mehrfacher Hinsicht besonders mit der planetarischen Gesundheit verbunden. So haben experimentelle Versuche gezeigt, dass HSP-Personen aufblühen, wenn sie mit der Natur verbunden sind oder Kontakt zu ihr haben (stärker mit zunehmendem Alter). Ebenso zeigen HSP-Personen ein umweltfreundlicheres Verhalten und positivere emotionale Reaktionen beim Betrachten von Naturvideos/-bildern zeigen und neigen zu einer erhöhten Öko-Angst.




Invited Talk 2: Dr. Shuhei Imura
Umweltsensibilität und Darmgesundheit

Hintergrund:

Was ist denn eigentlich Gesundheit genau und was bedeutet in diesem Kontext Darmgesundheit? Die WHO definiert Gesundheit als einen Zustand des vollständigen körperlichen, sozialen und geistigen Wohlbefindens in Zusammenhang mit der Abwesenheit von Krankheit oder Gebrechen. Unser Darm beinhaltet Mikroorganismen, wovon 99% Bakterien sind und zusammen mit Viren, Pilzen, und Archaeen sowie Proteinen und Immunzellen das Mikrobiom bilden. Das Mikrobiom ist ein wichtiger Bestandteil unserer Gesundheit, weil es mit seinen verschiedenen Mikroorganismen an unterschiedlichen Prozessen im Darm beteiligt ist. So produzieren Darmbakterien bestimmte Fettsäuren, die wiederum wichtig für ein funktionierendes Immunsystem sind und so Krankheiten verhindert können. Neueste Erkenntnisse der Forschung haben gezeigt, dass der Darm mit seinem Mikrobiom über die Darm-Hirn-Achse in enger Verbindung mit dem Nervensystem des Menschen steht. Hier konnte gezeigt werden, dass das Mikrobiom in Zusammenhang mit mentaler und psychischer Gesundheit steht.

Unter Darmgesundheit versteht man nun das Vorhandensein eines möglichst diversen Mikrobioms, das im Einklang untereinander und mit unserm Körper steht. Obwohl Darmgesundheit und die damit verbundene körperliche Gesundheit für alle Menschen wichtig ist, kann Darmgesundheit für das Wohlbefinden von HSP-Personen sehr wichtig sein, da aktuelle Studien einen Zusammenhang zwischen Umweltempfindlichkeit und psychischer Gesundheit zeigen (Falkenstein et al., 2025.), die über den Darm reguliert werden könnte.

Obwohl mehrere Studien auch einen Zusammenhang zwischen Umweltempfindlichkeit und körperlichen Gesundheitssymptomen wie Rückenschmerzen, Durchfall, Bauchschmerzen, Kopfschmerzen und Schlafstörungen berichten (Benham et al., 2006; Kenemore et al., 2023, Damatac et al., 2025), gibt es nur begrenzte Belege für einen nachgewiesenen Zusammenhang zwischen HSP und körperlicher Gesundheit.

Aus diesem Grund hat sich ein asiatisches Forscherteam mit folgenden Fragestellungen in Zusammenhang mit HSP befasst:  

  • Gibt es einen Zusammenhang zwischen Umweltsensitivität und gastrointestinalen Symptomen?
  • Gibt es eine Verbindung zwischen Umweltsensitivität, Entzündung und dem Darm Mikrobiom?
  • Gibt es ein Darmbakterium, dass die Sensitivität-Entzündung-Achse beeinflussen könnte?

Ergebnisse:

Alle Studien und Experimente sind noch in ihren Anfängen. Erste Ergebnisse und Hinweise auf Zusammenhänge werden im Folgenden zusammengefasst.

Studie 1:
800 japanische Personen mit HSP wurden in die Studie einbezogen. Patientenberichte lieferten Hinweise darauf, dass die Umweltempfindlichkeit bei japanischen Erwachsenen positiv mit gastrointestinalen Symptomen wie Reflux, Verdauungsstörungen, Bauchschmerzen, Verstopfung und Durchfall assoziiert war (Limura & Takasugi et al., 2022). Die Ursache für die vermehrten gastrointestinalen Symptome bei HSP-Personen muss jedoch noch weiter untersucht werden, insbesondere da HSP-Personen möglicherweise über mehr Beschwerden, stärkere Schmerzen usw. berichten als Nicht-HSP-Personen.

Studie 2:
C-reaktives Protein (CRP) ist ein bekannter Biomarker für Entzündungen. Neueste Erkenntnisse haben auch gezeigt, dass CRP ein Biomarker für Depressionen und psychische Gesundheit sein kann (Jiang et al., 2023; Mac Giollabhui et al., 2021).Ebenso ist es bekannt, dass das Mikrobiom über die Darm-Hirn-Achse mit unserem Nervensystem interagiert und so die körperliche und geistige Gesundheit reguliert. Beispielsweise führte eine Stuhltransplantation von einem depressiven Patienten auf keimfreie Mäuse nach der Transplantation zu einem depressionsähnlichen Verhalten bei den Empfängermäusen (Zhen et al., 2016). In weiteren Studien, wurden bei 88 hochsensitiven Personen eine CRP-Biomarker Bestimmung durchgeführt und die Vielfalt der Darmbakterien untersucht. Die Ergebnisse von Studie 2 zeigen, dass die Umweltsensitivität positiv mit der über C-reaktives Protein gemessenen Entzündung korrelierte, wenn die Diversität des Darmmikrobiom gering war (Limura et al., 2023). Bei hoher Diversität des Darmmikrobioms war das CRP normal und der Effekt konnte nicht beobachtet werden.

Studie 3:
Um besser zu verstehen, wie sich die Mikrobiota bei HSP in ihrer Zusammensetzung unterscheiden, wurde das Mikrobiom von hochsensitiven Personen analysiert. Die Ergebnisse zeigten, dass HSP einen höheren CRP-Wert aufwiesen, wenn sie eine geringe Anzahl an Bakterien der Familie Marinifilaceae und der Gattung Butyricimonas im Darm hatten (Takasugi et al., 2025). Die Auswirkungen einer Ernährungsumstellung auf die Vielfalt des Darmmikrobioms oder die gesundheitsfördernde Wirkung auf die Darm-Hirn-Achse wurden intensiv untersucht, konnte aber bis jetzt noch keine grossen Erfolge verzeichnen (z. B.: Aurelie Cotillard et al., Nature 2013, Fiona C. Ross et al., Nature 2024).

Im Hinblick auf die Anwendung bei hochsensitiven Personen stellt sich nun die Frage: Können Interventionen, die die Darmgesundheit verbessern (Reichtum des Mikrobioms oder Förderung des Vorhandenseins spezieller Bakterien), auch zur Verbesserung von Entzündungen oder der psychischen Gesundheit bei HSP-Personen beitragen? Und wären diese Vorteile für HSP-Personen gegenüber Nicht-HSP-Personen von Nutzen? Zukünftige Studien mit Nahrungsergänzungsmitteln und Diäten werden Aufschluss über diesen für HSP-Personen interessanten Aspekt geben.

Scientific Communication: Dr. Monika Baryta-Matejczuk, Polen
Umweltsensibilität bei Schulkindern

Hintergrund:

Die sensorische Verarbeitungsempfindlichkeit (SPS) und die Umweltempfindlichkeit (ES) finden in der Wissenschaft zunehmend Anerkennung (z. B.: Greven et al., 2019; Huang & Pluess 2025; Lionetti et al., 2018; Aron & Aron 2023). Das Interesse gilt dabei sowohl der Persönlichkeitspsychologie als auch der Bildungspsychologie. So haben Wissenschaftler herausgefunden, dass die frühzeitige Erkennung von HSP für die kindliche Entwicklung entscheidend ist und dass das Verständnis von Sensibilität sowohl Herausforderungen als auch Chancen im Bildungsbereich mit sich bringt. (Acevedo et al., 2014; Branjerdporn et al., 2019; Licht i. in., 2020; Liss i. in., 2005; Pluess & Boniwell 2015; Nocentini et al., 2018).

Studie:

Zu diesem Zweck wurde eine Studie zur Hochsensibilität im Bildungskontext durchgeführt. Es wurde der Frage nachgegangen, wie hochsensible Kinder (highly sensitive children – HSC) in Bildungskontexten psychologisch funktionieren. Fünf Schulen in Zentral- und Ostpolen nahmen an der Studie teil. Es wurden zehn Fokusgruppeninterviews mit jeweils acht bis zehn Frühpädagogen und Pädagoginnen durchgeführt. Alle beteiligten Lehrer mussten Fachleute sein und regelmäßigen Kontakt zu HSC haben. Die Interviews wurden mit der Software NVIVO 11 analysiert und Themen identifiziert, die für HSC im Bildungskontext als besonders wichtig erachtet wurden.

Es wurden vier Dimensionen der Sensibilität von Kindern identifiziert:

–  Körperlich
– Zwischenmenschlich
– Emotional
– Kognitiv

Körperliche Domaine:

Zu den Profilen des physischen Bereichs gehörten somatische Sensibilität und überreizte Champions. Somatische Sensibilität beschreibt in diesem Zusammenhang ein gesteigertes Bewusstsein für körperliche Empfindungen, körperliche Beschwerden und Klagen über körperliche Symptome bei Stress. Der überreizte Champion kämpft mit einer Reizüberflutung, kann jedoch Bewältigungsstrategien entwickeln. Diese Kinder benötigen eine strukturierte Umgebung mit sensorischen Pausen.

Zwischenmenschliche Domaine:

Zu den Profilen im zwischenmenschlichen Bereich gehörten der soziale Einsiedler, der freundliche Aktivist und der Anerkennungssuchende. Der soziale Einsiedler bevorzugt die Einsamkeit oder sehr kleine soziale Gruppen, beobachtet soziale Situationen, bevor er sich einbringt, und kann als schüchtern oder zurückhaltend wahrgenommen werden. Der freundliche Aktivist ist sozial engagiert, aber wählerisch, setzt sich für andere ein und schätzt authentische Beziehungen. Der Anerkennungssuchende sucht Bestätigung und Anerkennung von anderen, reagiert sehr empfindlich auf Kritik oder Ablehnung und hat ein starkes Verlangen, Autoritätspersonen zu gefallen.

Emotionale Domaine:

Der dritte Bereich ist die emotionale Sphäre, die das Profil des emotionalen Containers, des ängstlichen, nach Sicherheit suchenden, des leicht emotionalen, des naturverbundenen und des einfühlsamen, mitfühlenden Kindes umfasst. Das Kind, das als emotionalen Container fungiert, hält Emotionen zurück, bis es überfordert ist, hat ein reiches inneres Gefühlsleben und kann ruhig erscheinen, bis es eine emotionale Schwelle erreicht. Das Profil des nach Sicherheit suchenden, ängstlichen Kindes sucht emotionale Sicherheit und Vorhersehbarkeit, ist in neuen oder unstrukturierten Situationen ängstlich und profitiert von klaren Erwartungen und Routinen. Das leicht emotionale Profil umfasst schnelle emotionale Reaktionen; emotionale Reaktionen können unverhältnismäßig erscheinen und es besteht Bedarf an Unterstützung bei der Emotionsregulation. Das naturverbundene Kind findet Emotionsregulation durch die Verbindung mit der Natur, wird durch Erlebnisse im Freien beruhigt und zeigt Empathie gegenüber Tieren und der Umwelt. Schließlich ist der empathisch Mitfühlende in der Lage, eine starke emotionale Reaktion auf die Gefühle anderer zu zeigen, hat ein tiefes Interesse am Wohlergehen anderer und kann die emotionale Atmosphäre seiner Umgebung aufnehmen.

Kognitive Domaine:

Die kognitiven Profile umfassen den vorsichtigen Kletterer, den analytischen Riesen, den moralischen Wächter, den intelligenten Entdecker, den selbstkritischen Richter und das künstlerisch visionäre Kind. Der vorsichtige Kletterer geht mit Bedacht an das Lernen heran, braucht Zeit, um Informationen zu verarbeiten, bevor er reagiert, und bevorzugt schrittweise Anweisungen. Der analytische Riese verfügt über ausgeprägte Fähigkeiten zum kritischen Denken, erkennt Muster und Zusammenhänge, die anderen entgehen, und ist in der Lage, durch gründliche Informationsverarbeitung tiefgründig zu denken. Der moralische Wächter hat einen ausgeprägten Sinn für Gerechtigkeit und Fairness, beschäftigt sich mit ethischen Überlegungen und hinterfragt möglicherweise Regeln, die ihm unfair erscheinen. Der intelligente Entdecker scheint neugierig und introspektiv zu sein, geniesst intellektuelle Herausforderungen und praktiziert tiefes Denken mit kreativem Problemlösungsverhalten. Das Profil des selbstkritischen Richters beschreibt perfektionistische Tendenzen, hohe persönliche Standards und die größte Sorge, Fehler zu machen. Das Profil des künstlerischen Visionärs schließlich umfasst intensives kreatives Denken und Ausdrucksvermögen, eine einzigartige Perspektive und Vorstellungskraft und nutzt möglicherweise Kunst als Verarbeitungs- oder Kommunikationsmittel.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Studie in Polen zeigt, dass sich eine hohe Intensität des SPS-Merkmals in mehreren Funktionsbereichen manifestiert und sich das Profil bei einzelnen Personen in mehreren Bereichen überschneiden kann. Ein umfassendes Verständnis der HSC-Bereichsprofile und die Bereitstellung einer angemessenen Umgebung dienen als Schutzfaktor. Die Entwicklung strukturierter Protokolle ist für die Zusammenarbeit zwischen Lehrern und Kindern bzw. Lehrern und Eltern erforderlich, auch in anderen Ländern. Schlussendlich sollten künftige Maßnahmen, Interventionsstudien zur Erprobung unterstützender Strategien in Grundschulen und einen interkulturellen Vergleich der Ausprägungen von Sensibilität umfassen.



Scientific Communication: Dr. Robert Marhenke, Österreich/Southempton
Sensorische Verarbeitungsempfindlichkeit, Schlaf und Gedächtnis.

Hintergrund:

Man weiss heute, dass die Zeit unmittelbar nach dem Erlernen neuer Informationen entscheidend für eine erfolgreiche langfristige Speicherung dieser Informationen im Gedächtnis ist. Mehrere neue Studien deuten darauf hin, dass eine kurze Ruhephase mit geschlossenen Augen, direkt nach dem Lernen, im Gegensatz zu einer langen Phase aktiver Wachheit, die Gedächtnisleistung verbessern kann. Ein solcher Offline-Zustand mit geschlossenen Augen kann die Anforderungen an den Hippocampus (und andere Ressourcen) verringern und bietet die Möglichkeit, neu gebildete Gedächtnisspuren zu festigen.

Menschen mit hoher Sensory Processing Sensitivity (SPS) nehmen mehr Reize auf, leiten diese intensiver weiter und verarbeiten diese Reize tiefer. Dadurch entstehen stabilere Gedächtnisspuren, die in Ruhephasen durch Wechselwirkungen zwischen Hippocampus und Kortex reaktiviert und gefestigt werden können. Dieser Vorteil ist jedoch mit größerem geistigem Aufwand verbunden. Deshalb verfügen hochsensible Personen oft über weniger freie Kapazitäten, um zusätzliche Reize oder Ablenkungen zu verarbeiten. Das erklärt auch, warum sie sich leichter von stark stimulierenden Umgebungen überwältigt fühlen und lieber eine Aufgabe nach der anderen bearbeiten. Studien zeigen zudem: Hochsensible Personen schneiden bei bestimmten Aufgaben, etwa beim visuellen Erkennen, zwar besser ab, berichten dabei aber gleichzeitig von höherem Stress.

Das Forscherteam ist deshalb davon ausgegangen, dass kurze Ruhephasen (offline) mit geschlossenen Augen das Gedächtnis anders beeinflussen als aktive Wachphasen (online) und dass diese Gedächtnisbeeinflussung von der Ausprägung der Sensory Processing Sensitivity (SPS) abhängt. Die Hypothese der Studie lautet deshalb: Während Personen mit höherem SPS möglicherweise mehr von wachem Ausruhen nach dem Lernen profitieren (tiefere offline-kognitive Verarbeitung), könnten sie auch stärker durch ablenkende Reize während der aktiven Wachphase beeinträchtigt werden.

Studie:
In einer spannenden Studie untersuchten Forschende, wie sich Wachheit, Ruhe und Schlaf bei hochsensiblen und nicht-hochsensiblen Personen auf das Lernen auswirken (Mahenke R. et al., 2023). Insgesamt nahmen 46 junge Erwachsene um die 20 Jahre teil. Jeder durchlief zwei Testphasen im Abstand von sieben Tagen.

In der ersten Testphase gab es zwei Sitzungen:

  • In der 1. Sitzung hörten alle Teilnehmer zwei Minuten lang Musik und sollten anschließend eine erste Wortliste lernen. Nach einer kurzen Abfrage der Wörter, folgte eine kurze 8-minütige Erholungspause mit geschlossenen Augen.
  • In einer 2. Sitzung hörten die Teilnehmer erneut zwei Minuten Musik und lernten eine zweite Wortliste. Nach kurzer Abfrage der Wortliste, mussten die Teilnehmer danach keine Ruhepause einlegen, sondern eine 8-minütigen sehr schwierige Aufmerksamkeitsaufgabe lösen.

Nach sieben Tagen folgte die zweite Testphase. Nachdem alle Teilnehmenden erneut 2 Minuten Musik hören konnten, wurden sie gebeten, sich an die gelernten Wörter zu erinnern und diese aufzuschreiben. So konnten die Forschenden Rückschlüsse auf den Einfluss von Ruhe, Wachheit und kognitiver Belastung auf das Gedächtnis ziehen.

Ergebnis:

Die Ergebnisse des Experiments zeigen, dass eine Ruhe- oder Aktivitätsphase keinen grossen Einfluss auf die langfristige Gedächtnisleistung bei Personen mit niedrigem SPS-Wert haben. Personen mit hohem SPS-Wert hingegen zeigten einen deutlichen negativen Effekt auf das Lernen, wenn nach dem Lernen eine Ablenkungsphase folgt, und profitieren von einer Ruhephase nach dem Lernen mehr (Marhenke et al., 2023).


Ein sehr interessanter neurologischer Mechanismus hinter SPS ist, dass empfindlichere Personen eine verstärkte Konnektivität des Gehirns im Ruhezustand im Default Mode Network (DMN) zwischen dem Hippocampus und dem Procuneus aufweisen. Dies könnte auf eine „Systemkonsolidierung” hindeuten, einen Prozess, bei dem Erinnerungen, nach und nach in den Neokortex übertragen und dort für die langfristige Speicherung stabilisiert werden. Diese Prozesse können während des Wachzustands mit geschlossenen Augen auftreten, finden jedoch hauptsächlich während des Nicht-REM-Schlafs statt.

Aufgrund dieser Beobachtungen wurden zwei Hypothesen für SPS-Personen aufgestellt:

Hypothese 1:  Wenn hochsensible Personen dazu neigen, Erinnerungen im Ruhezustand generell stärker zu festigen als Personen mit niedrigerem SPS-Wert, könnten sie auch mehr vom Schlafen direkt nach dem Lernen profitieren.

Hypothese 2: Die stärkere Festigung von Erinnerungen im Ruhezustand könnte auf eine tiefere Nachbearbeitung der Informationen oder tiefere Reflektivität nach Ruhephasen hindeuten.

Experiment 2:

So untersuchte eine weitere Studie, ob Erlerntes sich bei SPS-Personen nach einer Nacht Schlaf tiefer im Gedächtnis verankert, als bei Nicht-SPS Personen. Dazu mussten die Teilnehmer zwei Wortlisten lernen, wobei sie entweder morgens um 9 Uhr begannen und abends auf ihr Lernvermögen getestet wurden, oder abends um 21 Uhr begannen und am nächsten Tag nach einer Nacht Schlaf auf ihr Lernvermögen getestet wurden.

Die Ergebnisse zeigten, dass die Teilnehmer, wenn sie nach dem Lernen 12 Stunden lang schliefen, generell mehr Wörter behielten als während des täglichen Wachintervalls. Allerdings gab es bei dieser Versuchsanordnung keinen Unterschied zwischen HSP und nicht-HSP hinsichtlich der Gedächtnisleistung nach Wachzustand versus nach Schlaf. Die Unterschiede in den Ergebnissen des zweiten Experiments könnten am Versuchsaufbau liegen. Eine ganze Nacht Schlaf lässt sich nicht mit einer achtminütigen Wachphase vergleichen. Außerdem war der Zeitraum zwischen Lernen und Abrufen unterschiedlich: Im ersten Experiment wurde zu unterschiedlichen Zeiten nach der Lernphase getestet, sodass diese unmittelbare Zeitspanne für die Gedächtnisleistung besonders wichtig sein könnte.

Experiment 3:

Um die Diskrepanz zwischen den beiden Experimenten aufzuarbeiten, wurde ein dritter Versuchsaufbau ähnlich des ersten Versuchs geplant. Hier mussten die Probanden erneut zwei verschiedene Wortlisten lernen. Nach der ersten Lernphase wurden die Probanden gebeten, sich 8 Minuten lang wach auszuruhen, während sie nach der zweiten Wortliste 8 Minuten lang soziale Medien nutzen durften, bevor sie sich an die gelernten Wörter erinnern mussten.

Dieses dritte Experiment bestätigt das Ergebnis des ersten Experiments, das zeigt, dass SPS-Individuen im Vergleich zu nicht-SPS Individuen mehr von einer Ruhephase nach dem Lernen für die Gedächtnisleistung profitieren.

Zusammenfassung:

Insgesamt deuten die Ergebnisse der Forscher darauf hin, dass individuelle Unterschiede in der sensorischen Verarbeitungsempfindlichkeit (SPS) die Wirksamkeit von Aktivitäten nach dem Lernen in Bezug auf die Gedächtnisleistung beeinflussen. Personen mit höherer SPS zeigten größere Gedächtnisvorteile, wenn sie sich nach dem Lernen wach ausruhen durften, reagierten aber auch stärker auf die negativen Auswirkungen ablenkender Bedingungen auf die Gedächtnisleistung. Diese Ergebnisse stehen im Einklang mit der Theorie der Umweltsensitivität, die besagt, dass hochsensitive Menschen unterschiedlich empfindlich auf sowohl ungünstige als auch förderliche (Lern-)Umgebungen reagieren.



Invited Speaker: Dr. Becky Black, Melbourne Australia
Welche Faktoren fördern das Wohlbefinden von Menschen mit SPS?

Es ist bekannt, dass SPS oft mit einem schlechten Wohlbefinden verbunden ist. Je nach Individuum kann SPS jedoch auch zu einem hohen Wohlbefinden beitragen. Um mehr über SPS und Ihr Wohlbefinden zu erfahren, wurde eine Metaanalyse durchgeführt. Hierbei wurde nach Faktoren gesucht, die das Wohlbefinden hochsensibler Menschen fördern. Mehrere Datenbanken wurden nach Begriffen wie „hochsensible Person”, „Kind”, „Individuum” oder „sensorische Verarbeitungssensibilität” oder „Umweltsensibilität” in Verbindung mit Begriffen wie „Wohlbefinden”, „psychische Gesundheit”, „Lebenszufriedenheit”, „Lebensqualität”, „glücklich” oder „aufblühen” durchsucht. Nach Sichtung der Literatur konnten 32 Studien in diese Zusammenfassung aufgenommen werden.

Die Analyse aller wissenschaftlichen Arbeiten zeigte, dass sich zum Thema Hochsensibilität folgende Themen in der Literatur diskutiert werden:

– Umweltfaktoren
– Verbindung zur Natur
– Psychologische Strategien
– Soziale Unterstützung und Beziehungen
– Körperliche Aktivitäten
– Bewältigungsstrategien
– Persönliche Unterstützung
– Professionelle Unterstützung
– Arbeit und Karriere

Umweltfaktoren scheinen sowohl in der Kindheit als auch später im Erwachsenenalter entscheidend für das Wohlbefinden zu sein. Sensible Erziehung, hochwertige Kinderbetreuung/Bildung, ein positiver Übergang in die Schule und ein unterstützendes Arbeitsumfeld mit einem demokratischen Führungsstil tragen wesentlich zum Wohlbefinden von HSPs bei.

Ein weiterer entscheidender Faktor ist die Verbindung zur Natur. Naturerlebnisse wirken sich positiv auf hochsensible Menschen aus und reduzieren negative Emotionen und Grübeleien. Der Aufenthalt in Waldgebieten führt zu einer Verbesserung der Stimmung und des Wohlbefindens, und selbst ein kurzer virtueller Kontakt mit der Natur hat erhebliche positive Auswirkungen.

Zu den psychologischen Strategien gehören Achtsamkeit und Meditation, Techniken zur Emotionsregulation, insbesondere kognitive Neubewertung, die nachweislich durch Überreizung verursachten Stress reduziert, Selbstmitgefühl und Selbstakzeptanz sowie positives Denken und Resilienz Training, die sich als sehr wirksam bei der Förderung des Wohlbefindens von HSP erwiesen haben.

Soziale Unterstützung und Beziehungen wirken nachweislich als Energiequelle. Der Austausch von Erfahrungen mit anderen hochsensiblen Menschen, zwischenmenschliche Fähigkeiten, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen sozialen Kontakten und Zurückgezogenheit sowie eine als gut empfundene soziale Unterstützung durch die Familie beeinflussen die Stimmung und das Selbstvertrauen hochsensibler Menschen. 

Körperliche Aktivitäten wirken als Ausgleich zu Reizüberflutung. Die Schaffung einer Routine und Struktur half dabei, regelmäßig Sport zu treiben. Yoga, gesunde Ernährung und Meditation wurden als sehr förderlich für das Wohlbefinden hochsensibler Menschen beschrieben.

Hochsensible Menschen entwickeln sehr oft Bewältigungsstrategien. Am häufigsten wurden die Suche nach ruhigen Umgebungen und die Verwendung von Geräten zur Geräuschunterdrückung genannt. Emotionale Ausdrucksfähigkeit und die Suche nach Unterstützung durch andere erwiesen sich ebenfalls als vorteilhaft, insbesondere im universitären Umfeld. Problemlösung und Planung helfen, Chaos, Angst und das Gefühl der Verlorenheit in stressigen Zeiten zu vermeiden. Interessanterweise wurde auch berichtet, dass hochsensible Menschen dazu neigen, überstimulierende Situationen, z. B. gewalttätige Medien, zu vermeiden.

Für die persönliche Entwicklung wurden Selbstbewusstsein und die Akzeptanz der eigenen Eigenschaften als entscheidend genannt. Das Erlangen von Wissen über SPS hilft, die eigene Situation zu verstehen und somit zu akzeptieren. Die Entwicklung emotionaler Intelligenz und das Finden von Sinn und Zweck waren in mehreren Studien wesentliche Faktoren für das Wohlbefinden von HPS.

Professionelle Unterstützung durch hochqualifizierte Psychiater mit Bewusstsein für HSP kann dabei helfen, herauszufinden, was als Nächstes kommt. Maßgeschneiderte Interventionen wie individuelle kognitive Verhaltenstherapie im Vergleich zu Gruppentherapie bei Angstzuständen waren hilfreich, und Resilienz-Trainingsprogramme wurden als wichtig für das Wohlbefinden von HSP beschrieben.

Die Wahl des richtigen Arbeitsbereichs ist für HSP-Personen von Bedeutung. Das Umfeld sollte Autonomie ermöglichen und einen demokratischen und unterstützenden Führungsstil erfordern. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass mehrere Faktoren zum Wohlbefinden von HSP beitragen. Die Bedeutung eines unterstützenden Umfelds und persönlicher Strategien kann nicht genug betont werden. Zukünftige Forschungsarbeiten zu spezifischen Interventionen und langfristigen Ergebnissen sind erforderlich.



Invited speaker: Dr. Grant Benham, USA
Einsamkeit moderiert den Zusammenhang zwischen SPS und Gesundheit.

Hintergrund:

Hochsensible Menschen haben oft soziale Herausforderungen aufgrund von sozialen und kommunikativen Defiziten, sozialer Phobie, geringerer Beziehungsintensität und weniger positiven Beziehungen zu anderen. Dabei muss SPS von Introversion oder Schüchternheit abgegrenzt werden. Basierend auf einem 16-Punkte-SPS-Fragebogen zeigte eine während COVID durchgeführte und 2025 veröffentlichte Studie, dass SPS mit größerer emotionaler Einsamkeit verbunden ist. In diesem Zusammenhang wird SPS ebenfalls mit einer Präferenz für eine selbstbestimmte Einsamkeit in Verbindung gebracht. Daher lautete die erste zu adressierende Frage des Forscherteams: Berichten hochsensible Menschen über mehr Einsamkeit und kann größere Einsamkeit durch selbstbestimmte Einsamkeit gemildert werden?

Darüber hinaus gibt es immer mehr Hinweise in der Literatur, dass SPS mit körperlichen Gesundheitsproblemen zusammenhängt, und eine umfassende Metaanalyse beschreibt eine mittlere bis große Auswirkung auf eine Vielzahl von Gesundheitsproblemen (Benham G. et al., Black B. et al., Pluess M. et al. usw.).
Studie:

Um den Zusammenhang zwischen SPS und körperlicher Gesundheit zu untersuchen und festzustellen, ob dieser durch Einsamkeit beeinflusst werden kann, wurde eine Online-Umfrage unter 449 Studenten durchgeführt.

Messwerte der Studie:

  • HSP-Skala mit 27 Punkten
  • UCLA-Einsamkeitsskala 10 mit 10 Punkten
  • Skala zur Präferenz für Einsamkeit mit 12 Punkten
  • Cohen-Hoberman-Skala (CHIPS) – körperlicher Symptome mit 33 Punkten.

Ergebnisse:

Die Ergebnisse dieser Befragung zeigen, dass SPS positiv mit Einsamkeit korreliert. Die Vorliebe für Einsamkeit schwächte jedoch den Zusammenhang zwischen SPS und Einsamkeit nicht ab. Stattdessen korrelierte SPS, wie erwartet, positiv mit körperlichen Symptomen, so dass sich hier ein Zusammenhang zwischen körperlicher Gesundheit und Einsamkeit herausstellt.

Es wurde häufig festgestellt, dass die HSP-Skala eine Drei-Faktoren-Struktur aufweist, die aus ästhetischer Sensibilität AES (d. h. ästhetischem Bewusstsein), niedriger sensorischer Schwelle (d. h. unangenehmer sensorischer Erregung durch äußere Reize) und leichter Erregbarkeit (d. h. dem Gefühl, durch äußere und innere Anforderungen mental überfordert zu sein) besteht (Lionetti et al., 2018; Liss et al., 2008; Pluess et al., 2018; Pluess et al., 2023; Smolewska et al., 2006; Sobocko & Zelenski, 2015; Weyn et al., 2021).

In Zusammenhang mit der oben erwähnten Studie, wurden SPS-Teilnehmer in i) Überstimulationssensibilität (OOS) und ii) ästhetische Sensibilität (AES) eingeteilt und die Ergebnisse der Befragung auf diese beiden Gruppen ausgewertet. Bei OSS war der Zusammenhang zwischen Einsamkeit und Gesundheit interessanterweise stärker als bei AES, wo kein Zusammenhang festgestellt werden konnte.

Zusammenfassung:

Zusammenfassend lassen diese Ergebnisse darauf schließen, dass Personen mit einem höheren SPS-Wert eher dazu neigen, sich einsam zu fühlen. Dieses Ergebnis konnte durch frühere Ergebnisse des 16-Punkte-SPSQ und Fragebogen zur emotionalen Einsamkeit untermauert werden. Obwohl die Forscher die Hypothese aufgestellt hatten, dass eine Vorliebe für Einsamkeit eine durch SPS vermittelte Einsamkeit abschwächen würde, war dies nicht der Fall. Jüngste Forschungen auch außerhalb von HSP deuten jedoch auf ein Paradoxon der Vorliebe für Einsamkeit hin: Sie bietet keinen Schutz vor schlechter psychischer Gesundheit bei sozial isolierten Personen. In Übereinstimmung mit früheren Untersuchungen wurde ein Zusammenhang zwischen SPS und schlechterer Gesundheit festgestellt. Wichtig ist, dass Einsamkeit diesen Zusammenhang offenbar verstärkt. Strategien zur Bekämpfung der Einsamkeit hochsensitiver Menschen könnte hier auch eine Auswirkung auf die langfristige Gesundheit hochsensitiven Menschen sein.


Invited Speaker: Veronique de Gucht, Niederlande
Sensorische Verarbeitung, Sensibilität und zentrale Sensibilisierung bei chronischen Schmerzen.

Einführung

Die in den Niederlanden durchgeführte Studie befasst sich mit drei Konzepten:

– SPS
– Katastrophisierung
– Zentrale Sensibilisierung

SPS beschreibt eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber subtilen sensorischen Reizen und eine tiefere Verarbeitung von Reizen mit einer nachdenklichen und reflektierenden Haltung, wobei man während des Gesprächs innehält, um die Fakten zu überprüfen, und keine voreiligen Entscheidungen trifft. Dazu gehört auch, sich mit Menschen auszutauschen, die die Gefühle oder die Situation verstehen.

Darüber hinaus sind SPS-Personen leicht durch zu viele Reize überfordert, was zu körperlichen und psychischen Beschwerden führen kann. Für diese Studie ist es wichtig, die Unterscheidung zwischen einer positiven und einer negativen Dimension von HSP zu berücksichtigen (s.o. Vortrag Prof. J. Homberg).

Die zentrale Sensibilisierung (CS) ist ein Konzept, das aus dem Bereich der chronischen Schmerzen bzw. der Forschung stammt. Zentrale Sensibilisierung wird als eine erhöhte Reaktionsfähigkeit der Nozizeption im zentralen Nervensystem definiert. Eine zentrale Sensibilisierung führt zu einer Überempfindlichkeit gegenüber Reizen oder übertriebenen Schmerzreaktionen, bei denen selbst normalerweise nicht schmerzhafte Reize Schmerzen auslösen können. Leider kann CS beim Menschen nicht direkt gemessen werden, wodurch alle Messungen auf Selbstauskünften der Probanden basieren – Human Assumed Central Sensitization (HACS).

Schmerz Katastrophisierung ist ein Konzept, bei dem eine übertriebene negative kognitiv-emotionale Reaktion auf tatsächliche oder erwartete Schmerzen auftritt, die zu Grübeln, Übertreibung oder Hilflosigkeit führt.

Studie der Schmerzklinik UMCG, Niederlande.

Dazu wurden in dieser Studie folgende Forschungsfragen behandelt:

  1. Gibt es eine signifikante Verbindung zwischen SPS und HACS?
  2. Wird der Zusammenhang zwischen SPS und HACS durch katastrophierenden Schmerz beeinflusst?
  3. Vermittelt HACS den Effekt von SPS auf physische und mentale Lebensqualität?
  4. Vermitteln SPS und HACS sequenziell die Beziehung zwischen SPS und Lebensqualität?

Zur Beantwortung dieser Fragen, wurden Daten zwischen April 2023 und August 2024 von Patienten mit chronischen Schmerzen erhoben, die die Schmerzklinik am UMCG in den Niederlanden aufsuchten. An der Studie nahmen 965 Patienten mit einem Durchschnittsalter von 56 Jahren teil, davon 42 % Männer und 58 % Frauen.

Verwendete Fragebögen:

–  SPS: Sensorische Verarbeitungsempfindlichkeit Fragebogen zur sensorischen
    Verarbeitungsempfindlichkeit (SPSQ)
– Katastrophisierungs: Skala zum Katastrophisieren von Schmerzen (PCS)
– CS: Vermutete zentrale Sensibilisierung beim Menschen (HACS)
– Fragebogen zur zentralen Sensibilisierung (CSI)
– Lebensqualität (QoL)
– Kurzform-Gesundheitsfragebogen-12 (SF-12v2)
– Schmerzintensität als Kontrollvariable
– Kurzform des Schmerz-Inventars (BPI-SF)

Ergebnisse:

Das Ergebnis der Analyse hinter den ersten Fragen zeigte, dass ein Zusammenhang zwischen SPS und zentraler Sensitivierung (CS) besteht. Die Daten zeigen, dass die Gesamt-SPS (beide Dimensionen) positiv mit HACS assoziiert war, was bedeutet, dass die Personen eine höhere zentrale Sensibilisierung empfanden, d. h. selbst berichtete Schmerzen erhöht waren. Die negative SPS-Dimension erwies sich als Erklärungsfaktor, während interessanterweise die positive SPS-Dimension nicht mit HACS in Zusammenhang stand.

Das Ergebnis der Analyse der zweiten Fragen zeigte, dass die Beziehung zwischen SPS und CS durch Katastrophisieren moderiert wird. So waren höhere Gesamt- und negative SPS mit mehr Katastrophisieren verbunden, was wiederum mit höheren HACS in Verbindung stand. Im Gegensatz dazu war positives SPS mit weniger Katastrophisieren verbunden, was zu einem negativen indirekten Effekt auf HACS führte.

Die Ergebnisse der Analyse hinter der dritten Frage zeigten, dass es einen Zusammenhang zwischen HACS und der körperlichen und geistigen Lebensqualität gibt. Sowohl die Gesamt-SPS als auch die negative Dimension von SPS waren indirekt durch einen erhöhten HACS-Wert mit einer geringeren geistigen und körperlichen Lebensqualität verbunden. Dies deutet darauf hin, dass insbesondere eine höhere SPS und ihre negativen Aspekte über eine erhöhte zentrale Sensibilisierung mit einem geringeren Wohlbefinden verbunden sind. Im Gegensatz dazu zeigte die positive SPS-Dimension keinen signifikanten indirekten Einfluss auf die Lebensqualität durch HACS.

Die Ergebnisse der Analyse der vierten Frage zeigten, dass HACS und Schmerzkatastrophisierung sequentiell die Verbindung zwischen SPS und Quality of Life beeinflussen. Hier standen negative SPS in Zusammenhang mit einer höheren Katastrophisierung, was wiederum zu höheren HACS-Werten führte und letztlich zu einer schlechteren Lebensqualität. Umgekehrt standen eine höhere positive Dimension der SPS in Zusammenhang mit einer geringeren Katastrophisierung, was die Sensibilisierung verringerte und mit einer besseren Lebensqualität einherging. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Unterscheidung zwischen positiver und negativer SPS entscheidend für das Verständnis der Auswirkungen von SPS auf die zentrale Sensibilisierung und die damit verbundene Lebensqualität der Probanden ist. Katastrophisierung spielt eine Schlüsselrolle bei der Verknüpfung von SPS mit zentraler Sensibilisierung und Massnahmen Katastrophisierung zu mindern könnte ein wertvoller Ansatz für Interventionen sein. Die Ergebnisse verdeutlichen folgenden Kaskadeweg:

SPS -> Katastrophisierung -> CS -> QoL

Ausblick:

Bei klinischen Ansätzen sollten sowohl kognitive (Katastrophisierung) als auch physiologische (HACS) Faktoren berücksichtigt werden. Darüber hinaus sollten zukünftige Forschungsarbeiten Langzeitstudien verwenden und Einflussmediatoren (Schmerzdauer, Art der Schmerzen, Schmerzbehandlung usw.) untersuchen, die die Beziehung zwischen SPS und Schmerzen beeinflussen. Neben HACS, wäre es von Vorteil, andere Messungen zur Untersuchung der zentralen Sensibilisierung einzubeziehen, z. B. den Kaltwassertests. Ein Ansatz zur Bewältigung des Problems der zentralen Sensibilisierung bei HSP könnten kognitive Trainings zur Verringerung von Katastrophisierungsverhalten und Achtsamkeitstrainings sein, die sogar in Schmerzkliniken immer häufiger eingesetzt werden.

Anmerkung:

In der Studie wurde der SPSQ zur Definition von HSPs verwendet. Es gibt jedoch ein weiteres Instrument zur Definition von SPS bei Einzelpersonen, das von der Wissenschaftsgruppe um V. de Gucht entwickelt wurde: den SPS-Monitor. Dieses Instrument ist kostenlos verfügbar unter: https://www.sps-q.com . Es kann von allen genutzt werden, die daran interessiert sind.
Ebenso gibt es ein Klassifizierungsinstrument für Forscher. Wenn Forscher dieses Instrument nutzen möchten, kann man eine E-Mail an folgende Adresse schreiben: degucht@fsw.leidenuniv.nl

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