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Drei typische Merkmale der Hochsensibilität

Ein kleiner Einblick in große Unterschiede 

Sei nicht so schüchtern! Du bist so sensibel! Stell dich doch nicht immer so an! Du Mimose!Vielleicht kommen solche Äußerungen einigen Leserinnen und Lesern bekannt vor. Mit Einschätzungen und Beurteilungen dieser Art werden hochsensible Personen (HSP) oftmals konfrontiert.

Die Vielseitigkeit solcher Konfrontationen eint die Feststellung, dass HSP anders sind als Nicht-HSP. Und diese Feststellung offenbart ihrerseits, dass ein Unterschied wahrgenommen wird – auch wenn nicht klar ist, was ihn ausmacht. Worum es sich bei dem Anders-Sein handelt, bleibt in aller Regel unerkannt, denn die konfrontierten HSP wissen oft gar nicht zu sagen, über welche Fähigkeiten oder Unfähigkeiten sie im Unterschied zu Nicht-HSP verfügen. Weil Nicht-HSP nicht nachvollziehen können, wie es ist, eine HSP zu sein, kommt es wegen fehlenden Verständnisses durchaus zu Problemen im zwischenmenschlichen Umgang. Und insofern die gesellschaftliche Mehrheit entscheidet, was normal ist, müssen HSP damit leben, nicht normal zu sein. Es kommt somit zu unsäglichen Beurteilungen und Fehleinschätzungen. Demnach ist es Unkenntnis, die dazu führt, dass Menschen nicht gut mit Menschen umgehen.

Vor ungefähr zwei Jahren habe ich ein Schulprojekt zum Anlass genommen, einen Weg zu finden, um Hochsensibilität verständlich darzulegen. Aus dem Projekt ist ein kleines Buch geworden. Es wirbt für einen fairen Umgang durch ein hilfreiches Verständnis füreinander. Darum hat es zum Ziel, dieses Thema der breiten Öffentlichkeit, aber auch gerade meiner Generation, der „Generation Z“, auf anschauliche Art und Weise näher zu bringen. Die konzeptionelle Gestaltung einschließlich der Illustration folgt der Idee, sowohl das Thema als auch die Menschen füreinander zugänglicher zu machen. Um für das Buchprojekt verschiedene Perspektiven und Ansichten kennenlernen zu können, habe ich themenspezifische Gruppen in sozialen Medien eingerichtet, Interviews mit Fachleuten geführt und Seminare besucht. Dabei haben sich für mich drei wesentliche Aspekte herauskristallisiert, die den Alltag von HSP kennzeichnen: das permanente Aufnehmen von Reizen aus der Umwelt, die folgerichtige Reizüberflutung und ferner häufiges Grübeln. Es handelt sich dabei um eine Mischung typischer Umstände und Merkmale und Begleiterscheinungen, die im Alltag nicht isoliert voneinander registriert werden – und in ihrer Gesamtheit die Betroffenen überfluten können, ohne dass es hierfür geeignete Worte gibt.

Nachfolgend möchte ich – basierend auf meinem Buch „Hochsensibel, hä?“ – diese drei Aspekte der Hochsensibilität anhand der Kapitel `Antennen im Dauerbetrieb´, `Reizüberflutung´, `Achtsamkeit´ mit Hilfe eines fiktionalen Akteurs namens Pete vorstellen. Im Buch illustrieren der Anschaulichkeit halber fünf fiktionale Figuren quasi im „Real-life“ das Phänomen: Hauptakteure sind die Figuren Pete und seine vitale Oma Helga. Pete ist hochsensibel, er ist eine HSP. Oma Helga ist im Gegensatz zu ihrem Enkel nicht hochsensibel, sie ist keine HSP. Aber sie hat, im Unterschied zu den anderen Figuren, durch ihren Enkel davon gehört.

Antennen im Dauerbetrieb

HSP verfügen oft über sogenannte Antennen. Das heißt, dass sie permanent (oftmals unbewusst) Reize aus der Umwelt wahrnehmen und noch lange innerlich verarbeiten. Auch Pete hat solche Antennen. Wenn er beispielsweise mit seiner Oma einen Bummel durch die Stadt macht, tritt bei ihm schnell eine Reizüberflutung ein. Sei es das plärrende  Kind auf der anderen Straßenseite, die raumgreifende Unterhaltung hinter ihm, der durchdringende Geruch von Pommes aus der Ferne, das Gedränge am Fußgängerüberweg, das Hupen der Autofahrer – oder das alles zusammen.

Insgesamt ist Pete, im Vergleich zu Oma Helga, relativ schnell überreizt. Was für sie normal ist, wird für ihn rasch zur erheblichen Belastung. Die vielen Stimuli, die von ihm innerhalb eines 50-Meter-Radius wahrgenommen werden (Ziegler 2019), können in ihm Unwohlsein, Aggressivität, Müdigkeit, Kreislaufbeschwerden und ähnliche Anzeichen hervorrufen. 

In solchen Situationen des Dauerstresses zieht sich Pete, wenn es möglich ist, an einen ruhigen Ort zurück. Sei es ein kleines Café oder ein Waldstück oder seine Wohnung. Während Oma Helga vom Stadtbummel nicht genug haben kann, zieht es Pete in den Park. 

Reizüberflutung

Das Phänomen der Hochsensibilität ist verbunden mit dem Problem der Reizüberflutung. Ursächlich dafür sind zum einen die besagten Antennen, die  permanent (zu) viele Reize aus der Umwelt registrieren. Zum anderen wird die Fülle der Informationen (zu) intensiv verarbeitet. Reizüberflutung äußert sich beispielsweise in

  • Konzentrationsschwäche
  • Höhere Anfälligkeit für Erkältungen und Krankheiten
  • Depression
  • Gedächtnisproblemen
  • Muskelverspannungen und Krämpfen
  • Chronischen Erkrankungen von Magen und Darm
  • Erschöpfung und Burnout

Für Pete ist bereits ein kleiner Stadtbummel eine große Herausforderung. In großen Gruppen, in Discos oder auch in Kaufhäusern ist er rasch reizüberflutet. Seine Familie weiß das und selbst Oma Helga nimmt Rücksicht auf ihn. Doch außerhalb seiner Familie sorgt ein gewisser Anpassungsdruck  für Belastungen. In der Schule, in der Ausbildung, im Beruf oder im Sportverein wird HSP zumeist wenig Verständnis entgegen gebracht. So kommt es oft zu Überlastungen.

Achtsamkeit 

Pete ist eigentlich ein echter Naturbursche und geht gerne im Park spazieren. Doch anstatt die Natur zu genießen, lenken ihn seine Gedanken davon ab. Zum einen muss er daran denken, was er heute noch zu tun hat. Zum anderen  fragt er sich, wie es jetzt der Katze geht, die hier im Park gestern von einem Hund gejagt wurde. Und er denkt an den Hundehalter  und an die Leute, die sich über ihn aufgeregt haben, weil er den Hund von der Leine gelassen hatte. Er sieht noch die Leine vor seinen Augen und sinnt darüber nach, wo jenes Tier gelebt haben mag und wie dessen Fell wohl ausgesehen hat, bevor es zum Leder für die Leine wurde… Oma Helga ist aufgefallen, dass Pete nach seinem Spaziergang gar nicht sagen kann, wo er überhaupt war. Und, dass ihn seine Spaziergänge nicht sonderlich zu erholen schienen. Darum hat sie ihm zur Achtsamkeit geraten, da diese das Wohlbefinden als auch die Lebensqualität steigern solle. Es geht darum, den Moment, also das Hier und Jetzt, ohne jede Ablenkung und Bewertung zu erleben. Deshalb gönnt sich Pete nun Achtsamkeit im Park: Er zieht sich hierfür bewusst die Schuhe an, atmet beim Gehen bewusst ein und aus, nimmt Schritt für Schritt den Untergrund wahr und ebenso den Wind. Siehe da – Pete fühlt sich wohler, seine Oma ist erleichtert.

Diese drei knappen Kapitel veranschaulichen markante Unterschiede zwischen HSP und Nicht-HSP – verbunden mit der Information, dass manche Menschen ein größeres Ruhe- oder Rückzugsbedürfnis haben.   Ergänzend soll ein integrierter Tipp dazu beitragen, diesem Bedürfnis in Eigenverantwortung erfolgreich Rechnung tragen zu können. 

Soweit mein kleiner Beitrag für ein faires und gesundes Miteinander.

Jonas Greese

Über den/die Autor*in

Jonas Greese

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